gbr ENGLISH VERSION | Die seit Anfang des Jahres geltende FEI Dressur für die Kinder (bis 14 Jahre) im Fahrsport, lässt die Betroffenen verzweifeln. An den den Sport gestaltenden Stellen zeigt man kein überschäumendes Interesse an den Sorgen und Nöten der jüngsten aktiven  Fahrsportler. Hey Leute - da gehts um die Zukunft des Fahrsport!

Das ist die aktuelle FEI Dressurprüfung die 12-14 jährige Fahrsportler zu fahren haben...

FEI Driven Dressage Test Children

- Dressur für Kinder - Deutscher Übersetzung mit Skizzen @ Horse in Sport 2.0

Hippoevent erreichte der Brief einer besorgten Mutter und Ausbildnerin im Fahren, mit profundem Wissen und Erfahrungen im Fahrsport mit Kindern und Jugendlichen. Ein Schreiben dem wir nichts hinzufügen möchten, da es die Problematik umfassen darstellt.

Liebe Fahrsport Freunde,

Wo bewegt sich die Zukunft des internationalen Jugendfahrsports hin?

Wie sieht es national im Jugendfahrsport in Deutschland aus?

Nach einem Aufruf bei Hippoevent zur Meinung der allgemeinen Entwicklung im Fahrsport und den vielen Absagen von Veranstaltungen möchte ich hier meinen Gedanken und Überlegungen freien Lauf lassen.

Als Mutter eines jugendlichen Fahrers und selbst aktiver Ausbilderin führte ich in der Vergangenheit viele Gespräche mit Fachleuten wie Richtern, Parcourschefs, Veranstaltern und anderen Eltern. Dies ermutigte mich diese Zeilen zu schreiben

Die FEI hat für 2023 für die Children (12-14 Jahre), also die Altersklasse U14, eine neue Pony-Einspänner-Aufgabe auf den Weg gebracht. Schaut man sich die Aufgabe näher an, dann kommen bei mir einige Fragen auf.

Zur Beurteilung der Sache muss ich jedoch länger ausholen.

Betrachtet man sich die kindliche Entwicklung, so haben wir im frühen Jugendalter (ca. 12.-15. Lebensjahr) die erste puberale Phase. Das bedeutet zum Einen, dass die Geschlechtsreife eintritt, Schnelligkeit, Ausdauer und Kraft nehmen zu. Gerade bei Jungs nimmt auch die Begeisterung des „sich messens“ wollen zu, Mädchen schauen vermehrt in den Spiegel und beobachten die Veränderungen im weiblichen Körper. In dieser Altersphase kommt es jedoch auch häufig erstmal zu Rückschritten in der Motorik, die Selbstkritik und Eigenreflexion nimmt zu, emotionale und psychische Befindlichkeiten können stark schwanken. Sprich Kinder/Jugendliche dieses Alters weisen nach den Corona-Jahren mehr denn je sozialemphatische Defizite auf, haben Konzentrationsprobleme, sind mehr Konsumenten als Produzenten, sowohl die Lebenswelt und -umwelt haben sich massiv verändert.

In dieser also nicht einfachen Lebensphase, die jeder Jugendliche mehr oder weniger bewusst erlebt und durchlebt sollten wir uns über jede Begeisterung für unseren tollen Sport freuen und die Heranwachsenden äußerst sensibel betreuen und ausbilden.

Und nun kommt diese neue FEI-Aufgabe... Im Vergleich zur Juniors-Aufgabe, welche in der nächsthöheren Altersklasse gefahren wird, sollen die Children nun 19 Lektionen fahren (bei den Juniors sind es nur 18).

Der Zirkel bei den Children hat ein Maß von 15 Metern, bei den Junioren von 20 Metern. Der wiederum in einer Ecke gefahren werden soll und somit eine äußere Begrenzung bietet. Bei den Children ist dieser 15 Meter Zirkel zwischen Mitellinie und äußerem Hufschlag zu fahren, ohne jegliche optische Begrenzung. Neu ist nun auch in der Children-Aufgabe, dass innerhalb des Trabes alle Tempi (also Gebrauchs-, Mittel-, starker und versammelter Trab) zu fahren sind.

Es gibt also keine Steigerung mehr zur nächsthöheren Altersklasse.

Die Abfolge der Tempiwechsel im Trab ist unfassbar kurz und geht von Lektion zu Lektion - Schlag auf Schlag. Und nun frage ich mich... wo sind hier die pädagogischen Ansätze?

Vom Leichten zum Schweren?

Vom Bekannten zum Unbekannten?

Wie soll ein Kind in diesem Alter diese neu konzipierten Hufschlagfiguren im Zick-Zack fahren können?

Einen korrekt anzulegenden Zirkel fahren können ohne äußere Begrenzung? Da tun sich bereits langjährige erfahrene Fahrer*innen schwer.

Schaut man mal über den Tellerrand so müssen Children im Dressurreiten im Trab keinen einzigen Tempiwechsel reiten, selbst ein Rückwärtsrichten kommt nicht vor. Und wohl bemerkt stellt das reitende Kind sein Pony „nur“ in der Dressur (also einer Spezialdisziplin vor), wobei ein fahrendes Kind das gleiche Pony in drei Disziplinen vorstellen soll.

Ist die Ausbildungsskala nichts mehr wert? Wird ein versammelter Trab auf „Ziehen“ an den Leinen und langsameres Fahren reduziert. Entsprechend Mitteltrab und starker Trab auf „Hand vor und Peitsche dran“?

Als Ausbilderin und Mutter möchte ich doch fördern und dann fordern!

Aber ich möchte doch nicht überfordern. Ich möchte Werte vermitteln, die größtmögliche Harmonie zwischen dem jugendlichen Fahrer und dem Pony erreichen. Wie soll das bei solchen Aufgaben möglich sein?

Oder möchte man nur noch der elitären Klasse den Zutritt zum internationalen Fahrsport ermöglichen. Ist dem schnellen Erfolg einer nachhaltigen Entwicklung der Vorzug zu geben?

Gelten die proklamierten „Ethischen Grundsätze“ zwar für die Tiere, aber haben wir nicht auch eine ethische Verantwortung für unsere Kinder? Die dürfen wir überfordern?

Wollen wir Ponys, die von den Trainern für die Kids "zurechtgefahren" werden und diese dann nur während des Championats die Leinen fest in der Hand halten. Nach dem Motto, denn sie wissen nicht was sie tun?

Hauptsache am Ende des Tages hängt eine Schleife am Pony?

Aus Leistungssport wird Reichensport?

Wem werden wir mit dieser Dressuraufgaben sicherlich gerecht! Den Ponys, den Kindern und den Richtern sicher nicht.

Statt dessen präsentieren wir unseren geliebten Fahrsport mit unschönen Bildern, falschen Werten und rufen im schlimmsten Fall sogar die vermeintlichen Tierschutzorganisationen auf den Plan.

Nein, wir setzen dem Ganzen noch die Krone auf! Immer mehr nach Anerkennung, Erfolg und Ansehen haschend.

Diese Aufgaben sind auch in Deutschland das Maß aller Dinge und werden sogar auf bei den Deutschen Jugendmeisterschaften im Fahren - den DJM gefordert. Ich wage zu bezweifeln und das schreibe ich hier auch ganz provokativ, dass
kein Verantwortlicher diese Aufgabe je richtig gelesen hat, geschweige denn gefahren ist.

Und nein, nicht nur im Einspännerbereich U 16, sondern auch für die Zweispänner U 16 soll diese internationale Children Aufgabe gefahren werden. Da bin ich gespannt wie die Lektionen und Bahnfiguren mit dem Zweispänner aussehen werden.

Ich stelle mir lieber nicht vor, wie ein Zweispänner mit Endmaßponys auf dem 15 Meter Zirkel läuft. Korrekt in Stellung und Biegung – bei der Mehrzahl der Gespanne wohl eher nicht.

Starker Trab beim Shetty – schwer vorstellbar.
Versammelter Trab bei den Robustpferderassen – sicherlich schwer findbar.

Umso absurder, dass wir im U16 Bereich als Zulassung zur Teilnahme auf der DJM „lediglich“ Platzierungen in der Kl. A-Kombi
als Voraussetzung ausweisen. In nationalen Dressuraufgaben der Kl. A haben wir allenfalls ein Tritte verlängern im Trab. Auf der DJM soll jedoch die internationale Aufgabe ausgeschrieben werden, die wie schon ausführlich beschrieben alle Tempiunterschiede im Trab - von Versammlung bis hin zum Starken Trab) fordert.

Wenige vereinzelte Jugendliche werden Deutschland bei einer EM vertreten. Die gesamte nationale Jugend muss sich dem Reglement unterwerfen, damit in 2024 einige Wenige auf die Europameisterschaften für Deutschland fahren dürfen.

Bereits jetzt haben wir im Zweispännerbereich eklatante Nachwuchsprobleme, national wie
international. Beim CAI in Selestat, in Frankreich, gab es bei den Children dieses Jahr exakt einen Starter, fünf bei
den Juniors. Würden wir dies exemplarisch und hypothetisch auf EM-Ebene hochrechnen, quasi als Blick in die Zukunft, unter Berücksichtigung der momentanen Abwärtstendenz im Fahrsport, wäre der eine Starter bei den Children damit Europameister geworden...

Wäre das gut für unseren Sport?
Aus einer "One-Child-Show" einen Europameister zu benennen?

Uns fehlen national wie international doch überhaupt erst einmal die Strukturen, um den Kids solche Leistungen abzuverlangen.
Alle wissen ob der Probleme, alle redeten darüber in stundenlange Gesprächskreise bei der DJM 2022 in Bösdorf, aber es tut sich seitens der Verantwortlichen nichts.

Das macht mürbe, traurig, wütend und irgendwann führt es zur Resignation. Nicht nur bei vielen Ausbildern, sondern auch bei vielen Kindern und Jugendlichen. Der Abwärtstrend geht also unaufhaltsam weiter. Und auch ich komme an meine Grenzen, wo ich mich kritisch und selbst reflektierend frage, möchte ich das den mir anvertrauten Kindern/Jugendlichen, meinem Kind und auch mir selbst noch länger antun?

Möchte ich den Trend vom Leistungssport zum Reichensport weiter unterstützen?

Es ist nicht fünf vor zwölf, sondern eins nach zwölf.

Erst fördern – dann fordern!

Schaft Strukturen, die unseren Sport fördern und nicht immer teurer, komplizierter und frustrierender machen. Holt
Euch die Leute von der Basis ins Boot, und kocht nicht im stillen Kämmerlein Euer Süppchen.

Seid auch mal bereit unbequem zu werden, kritisch zu hinterfragen und zu reflektieren.

Damit komme ich zum Schluss und hoffe, dass endlich ein Umdenken auf internationaler, aber insbesondere auf Deutscher nationaler Ebene erfolgt.

Damit wäre dem Fahrsport, insbesondere dem Jugendfahrsport schon sehr geholfen!

Name der Redaktion bekannt

Auch wir von Hippoevent haben diese Dressurprüfung bereits kritisch hinterfragt (Hippoevent Artikel 07/22)

Ehrlich...wir dachten damals die FEI hat ein falsches .pdf auf der Seite online gegeben - diese Anforderungen an 12-14jährige Kinder können nicht erst gemeint sein. Eigentlich dachten wir, es sei in der Zwischenzeit längst korrigiert, und eine dem Alter der Fahrer, und den in dieser kleinen Gruppe aktiven Ponys entsprechende Dressuraufgabe ist verfügbar... nein, die meinen das ernst.

Traurig, wenn man bedenkt was für einen Meilenstein die Integration der Jugend in den FEI Fahrsport darstellt. Wir möchten der Sache nachgehen, und werden die den Sport gestaltenden Stellen bitten, uns ihre Herangehensweise zum Kinder Fahrsport zu erklären.

Hey Leute - da gehts um die Zukunft des Fahrsport!

 

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