Die FEI Europameisterschaften und FEI Weltmeisterschaften im Fahren 2023 stehen vor der Türe.
Und… es ist schon wieder was passiert! Wir möchten diesen Artikel mit ein paar Worten beginnen und schließen:
Die absolute Priorität in allen Regelungen der FEI, “Welfare of the Horse”
- alles untersteht dem Wohl unserer Sportpartner, der Pferde - ist unumstritten und unantastbar!
Aber sollte es auch nicht zusätzlich bei den Pferdesportverbänden den Leitgedanken für
„Welfare of the Athletes, Organizers & Equestrians"
- für das Wohlergehen der Athleten, Organisatoren und Pferdesportler, geben?
Warum kommt es immer wieder vor, dass unter Heranziehung von Spitzfindigkeiten, engagierte Fahrsportler, die ihre sportliche Qualifikation an FEI Meisterschaften teilzunehmen erfüllen, aufgrund von Paragraphendetails, sowie umstrittener Auslegungen der internationalen und nationalen Regeln, daran gehindert werden, an Meisterschaften teilzunehmen?
Ihr sportliches Ziel, ihren Lebenstraum als Sportler, sich nicht erfüllen können?
Betrachten wir mal die aktuelle Situation.
Einmal mehr steht am Anfang dieses Artikels der Satz:
„Wir leben in herausfordernden Zeiten!“
Es lässt sich nicht wegdiskutieren, dass sich unser Aller Leben, in vielen Lebenslagen, in den letzten Jahren verändert hat, und Vieles – gerade die Ausübung des Pferdesports, nicht einfacher geworden ist.
Nach der weitgehenden Bewältigung der globalen COVID-19 Krise, zeichnete sich das abgelaufene Jahr 2022, und die bisherigen Monate des aktuellen Jahres 2023, durch unvorhersehbare geopolitische und ökonomische Entwicklungen aus, von denen wir alle betroffen sind – auch im Pferdesport, und besonders im extrem aufwendigen Fahrsport.
Die aktuelle Entwicklung im Fahrsport betrachtend – und dazu brauchen wir keine bunten Statistiken… die Teilnehmerzahlen werden bei immer weniger stattfindenden nationalen und internationalen Turnieren nicht mehr.
Wir Alle sollten mit vereinten Kräften darum bemüht sein, unseren schönen Sport aktiv zu halten, und möglichst vielen Athleten die Teilnahme an Wettkämpfen ermöglichen.
Aber die, die den Sport durch Regeln formen und gestalten, sind sich scheinbar nicht bewusst, dass sie sich mit Entscheidungen am Ast zu sägen, auf dem sie sitzen.
Was ist da wieder passiert?
Als Beispiel nehmen wir den Vierspännersport – die Situation betrifft aber leider auch Fahrsportler in anderen Anspannungen.
Vierspännersport in Europa - die Königsklasse – die aufwendigste Anspannung – die Anspannung, die dem Fahrsport die größte Publicity bringt.
Für die Europäischen Vierspänner finden 2023 FEI Europameisterschaft statt, Ende August in Exloo, in den Niederlanden.
Am Beginn der Saison 2023 standen 25 CAI 3* Turniere am FEI Kalender. Zusätzlich 5 CAIO 4* Turniere, die aber durch die FEI-Regeln nur wenigen Fahrern eine Teilnahme ermöglichen. Zum Beispiel sind beim CAIO Aachen nur 3 Fahrer pro, den eingeladenen, Nationen teilnahmeberechtigt.
10 CAI 3* Turniere für Vierspänner wurden 2023 bis dato abgesagt!
Die Wissenschaft der Championats Nennungen
Die FEI schreibt in ihren Regeln, den nationalen Verbänden eine sehr umfassende, mit versteckten Hürden, versehene Regeln für die Nennung der Athleten und deren Pferde, für Championaten vor. Gepaart mit Qualifikationsvorschriften, die kleine Spitzfindigkeiten und Interpretationsspielräume enthalten, ist dies ein schwer zu durchschauender – und auch wie sich jetzt wieder herausstellt - nicht immer logisch nachvollziehbarer, Prozess.
Es geht um begehrte Startplätze für die Fahrer, die Ehre sein Land in der Nationenwertung vertreten zu dürfen, und um die großen sportlichen Ziele, als Individual Starter in der Einzelwertung eines FEI Championats fahren zu dürfen.
Beginnend mit den FEI Qualifikationsbetimmungen für die Teilnahme an FEI Fahrsport Europa- und Weltmeisterschaften.
Hier wird pro Anspannung eine Leistungsvorgabe definiert, was der Fahrsportler erfüllen muss, um genannt werden zu können und am Championat am Start gehen zu können.
Beispiel Vierspänner Euro 2023:
Der Fahrer muss den Status 3*Athlet erfüllen, und er muss Qualifikationsergebnisse von 2 CAI 3* Turnieren nachweisen können, wo er mit einer Punktzahl von 70, oder weniger, in der Dressurprüfung 3*B H4, während eines CH-M-A4, CAIO4*, CAI3* oder CAI3* Weltcup-Qualifikation – in allen drei Teilbewerben erfolgreich abschließen konnte (ohne Ausscheiden, Disqualifikation oder Aufgabe)
Der Qualifikationszeitraum für alle FEI Meisterschaften 2023 beginnt am 1. Januar 2022 und endet mit dem Nominativen Nennschluss der jeweiligen FEI Meisterschaft, wobei 1 Ergebnis aus dem laufenden Kalenderjahr stammen muss.
Klingt nicht problematisch, und ist für eine kontinentale Meisterschaftsteilnahme leistungsbezogen nachvollziehbar – kann aber aufgrund der aktuellen globalen Situation, und ein bisschen Pech, eine Hürde darstellen.
Eine Hürde, die im Jahr 2023 mehrere sportliche hochqualitative Gespanne, an einer Teilnahme an Welt- und Europameisterschaft hindert… das heißt auf den Punkt gebracht: Entscheidungen am Papier, verhindern sportlich spannende Wettkämpfe, und Paragraphen Spitzfindigkeiten schaden – in diesem herausfordernden Zeiten - unserem Sport!
Sehen wir uns das in der Praxis an:
Die Möglichkeit sich das notwenige CAI 3* Ergebnis im laufenden Turnierjahr zu besorgen, begann in Europa Anfang April, und endete mit dem Nominativen Nennschluss der ECH für Vierspänner am 26. Juli 2023.
Bis zu diesem Tag müssen Fahrer diese Vorgaben erfüllen, um genannt zu werden. In dieser Zeitspanne kam es aber im internationalen Fahrsport, zu sehr vielen Veranstaltungsabsagen, und die Pläne von den meisten Fahrteams, wurden unmöglich.
Zu diesem Nominativen Nennschluss der EM der Vierspänner, konnten die Nationen jeweils 6 Fahrteams und ihre Pferde nennen. So geschehen.
Und dann gibt es eine weitere Möglichkeit, die mit Absprache, und dem OK und Wunsch des Veranstalters, die Nennung von zusätzlichen Fahrern für das Championat, als „Zusätzliche Einzelstarter“ nach § 927 der FEI Regeln, ermöglicht.
Super…das heißt für unser Beispiel, dass es bei dem leider überschaubaren Teilnehmerfeld der diesjährigen Vierspänner EM, für ein paar Fahrern mehr die Chance ergibt, an der EM teilzunehmen.
Das freut den Veranstalter und die Fahrsportfans – gibt Nachwuchsfahrern eine grosse Chance, und motiviert weitere Fahrteams, bei denen die Saison bisher nicht optimal gelaufen ist, die Möglichkeit bei der EM zu starten.
Diese Entscheidung weitere Teilnehmer zuzulassen, fällt nach dem Nominativen Nennschluss – bei der Vierspänner EM war das der 26.Juli 2023, und diese zusätzlichen Gespanne konnten dann bis zum 2.August bei der FEI genannt werden, um, ab dem 9.August 2023, zum definitive Nennschluss, auf der Teilnehmerliste zu stehen.
Etwas kompliziert…aber doch super für unseren Fahrsport – Toll… so etwas nennt man positive Förderung des Sports…
Oh nein - doch nicht…da kommen wir nun zu den unlogischen Paragraphen und Spitzfindigkeiten, und um die zu verstehen und nachzuvollziehen, gehen wir nun noch mehr ins Detail, und nehmen uns einen der bekanntesten und erfolgreichsten internationalen Vierspännerfahrer als Beispiel für diesen Paragraphen-Dschungel.
Christoph Sandmann, seit Jahrzehnten erfolgreicher Deutscher Vierspänner Fahrer, mehrfacher FEI-Medaillengewinner, FEI World Cup Sieger, Deutscher Meister… und Veranstalter eines der weltweiten Topturniere im Fahrsport.
Beruflich sehr gefordert, startet er 2023 bei dem Heimturnier in Lähden in die Saison, und neben der großen Herausforderung Veranstalter und Teilnehmer zu sein, hatte er das Pech, dass eines seiner Pferde im Marathon Nasenbluten bekam, und die Entscheidung für den Pferdemann und Topfahrsportler sofort klar war, den Marathon zu beenden.
Um noch die notwendige Qualifikation aus dem laufenden Jahr am Papier zu haben, und in der 2. Nennungsphase für die weiteren Individualstarter berücksichtigt werden zu können, fuhr Christoph Sandmann das CAI3* in Beekbergen, von 27. bis 30. Juli 2023, um VOR der Nennung, bis zum 2.August, auch FEI qualifiziert zu sein.
Genauso motiviert fuhren viele weitere Fahrsportler zu „last minute“ Qualifikationen.
Christoph Sandmann beendete das CAI Beekbergen erfolgreich, und das Team fokussierte sich in Richtung EM… die Deutsche FN nannte fristgerecht… und bekam eine Absage von der FEI in Lausanne.
Die FEI akzeptierte die Nennungen nicht, weil die Qualifikationen nicht vor dem ersten Nominativen Nennschluss dem 26.Juli am Papier stehen, sondern erst auf den finalen Ergebnislisten am 30. Juli. Zu einem Zeitpunkt, wo man überhaupt noch nicht wusste, dass diese Gespanne eine Chance auf die EM-Teilnahme, als zusätzliche Individual Starter, haben.
Etwas unlogisch und von Rechtsexperten als problematisch gesehen, da die Vorgaben sich auf die erste Gruppe der genannten Fahrer beziehen, und nicht unisono auf die Fahrsportler, die zum 2. möglichen Stichtag genannt werden, übertragen werden kann. Und separat in den Regeln definiert werden müsste.
und … für den Fahrsport – den EM-Veranstalter und für die Fahrsportfans… einfach eine Entscheidung und Regelauslegung der FEI, die nicht zum Wohle unseres Sports ist.
Diese Situation betrifft mehrere Fahrer - aus unterschiedlichen Nationen - für weiteren FEI Fahrsport Championaten in diesem Jahr.
Warum fällt es so schwer - eine Entscheidung zu Gunsten der Athleten, des Veranstalters, der Fahrsport Fans und zum Wohl des Fahrsports zu machen?
Und da sind wir wieder am Anfang:
Die absolute Priorität in allen Regelungen der FEI, “Welfare of the Horse”
- alles untersteht dem Wohl unserer Sportpartner, der Pferde - ist unumstritten und unantastbar!
Aber sollte es auch nicht zusätzlich bei den Pferdesportverbänden den Leitgedanken für
„Welfare of the Athletes, Organizers & Equestrians"
- für das Wohlergehen der Athleten, Organisatoren und Pferdesportler, geben?
Was meint Ihr?